Total War Saga: Thrones of Britannia - Test des ersten Spin-Off Titels
- Finn Prox
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Das Setting
Thrones of Britannia fokussiert sich auf die britischen Inseln etwas nach den ersten Wikingerinvasionen. Spielbar sind zum Erscheinungszeitpunkt dieses Artikels 10 Fraktionen aus insgesamt 5 Kategorien. Diese 5 setzen sich aus Engländern, Walisern, Gälen, den Überresten des sogenannten großen heidnischen Heeres, und anderen Wikingerfraktionen zusammen. Jede einzelne Kategorie bringt unterschiedliche Mechaniken in die Kampagne ein und jede einzelne Fraktion verfügt über andere Stärken und Schwächen, so wie dies auch in den Total War Titeln der letzten Jahre der Fall war. Verständlicherweise sind diese Unterschiede nicht annähernd so groß wie in Total War: Warhammer sondern eher vergleichbar zu denen in Total War: Attila. Dies bedeutet, dass sie vor allen Dingen die rundenbasierte Kampagne beeinflussen. Zum Beispiel muss man als Northumbria und ihrer Eigenschaft „Heerkönig“ die Zufriedenheiten von sowohl Nordmännern als auch der lokalen angelsächsischen Bevölkerung balancieren. Die Expeditionen der Wikingerfraktionen belohnen aggressive Plünderungen und Beutezüge mit Eventketten über die man zum Beispiel eine Kolonie in Island gründen kann. Die walisischen Könige versuchen ihren Heldenmut durch Gefechte und Eroberungen hoch zu halten um verschiedene Boni zu erhalten. Diese von Fraktion zu Fraktion verschiedenen Mechaniken führen in Kombination mit fraktionsspezifischen Aufgabenketten und Ereignissen dazu, dass sich jede Fraktion anders auf der Kampagnenkarte spielt als die anderen. Dadurch erhält Thrones of Britannia Wiederspielwert und Varietät.
Garnisonen, KI, Schlachten und Belagerungen
Die Kampagnen-KI versucht auch solche ungeschützten Schwachstellen ausfindig zu machen und anzugreifen. Allerdings hat sie selber Probleme dabei ihre eigenen Schwachstellen zu verteidigen und ist nicht gut in der Lage einen Mehrfrontenkrieg zu koordinieren. Das ist ein Kritikpunkt, der zwar in jedem einzelnen Total War auftritt und daher fast schon eine Art Erkennungsmerkmal der Reihe darstellt, allerdings dennoch erwähnt werden sollte. Weder die Kampagnen- noch die Gefechts-KI stellen sich besonders schlau an was dem Spieler mehr als einmal in die Hände spielen kann und es ermöglicht auch eine numerische Übermacht ohne größere Probleme zu besiegen, sobald man es einmal herausgefunden hat. Ein hier allerdings ebenfalls erwähnenswerter Punkt ist, dass die KI anscheinend mit nur minimaler Hilfestellung zurechtkommt. Anders als in zum Beispiel Shogun 2, Attila oder Rome II muss sie nicht auf Cheats zurückgreifen und verfügt nicht über mehr Armeen als sie realistisch haben könnte. Alle Mechaniken, die den Spieler betreffen können können genauso gut die KI beeinflussen.
Ein an Total War: Warhammer häufig geübter Kritikpunkt waren die Belagerungen, bei denen man nur einen kleinen Teil der gesamten Stadt von nur einer Seite aus angreifen konnte. Zudem verfügten Belagerungskarten nur über sehr simple Layouts die sich auch fraktionsübergreifend von Stadt zu Stadt nicht stark unterschieden. Thrones of Britannia baut stattdessen auf den Belagerungen von Attila auf. So kann man erneut Städte von allen Seiten angreifen und in der gesamten Stadt kämpfen. Zudem verfügt Thrones of Britannia über eine Menge an voneinander grundlegend verschiedenen Stadtkarten die sowohl taktisch als auch ästhetisch ansprechend sind. Zum Beispiel ist eine Stadt in Südirland auf einem Berg gebaut und der Angreifer muss sich zuerst durch zwei enge Schluchten kämpfen ehe er den äußersten Wall attackieren kann. Andere Städte verfügen noch über Mauern aus der römischen Besatzungszeit und wieder andere sind von Land und von See gleichzeitig angreifbar. Dies führt dazu, dass fast jede Stadt eine andere Herangehensweise ermöglicht. Dies macht Belagerungen zu einem Höhepunkt bei der Eroberung oder Verteidigung einer Provinz.
Armeen, Rekrutierung und Vorräte
Jede einzelne Einheit verbraucht pro Runde neben ihrem Unterhalt etwas Nahrung. Große Armeen sind dementsprechend schwerer zu unterhalten als kleinere und benötigen eine gewisse Wirtschaftsmacht sowie genügend nahrungsproduzierende Gebäude. Anders als in den vorherigen Titeln werden neue Einheiten aus einem global erreichbarem Pool rekrutiert. Das bedeutet, dass eine Armee ungeachtet ihrer aktuellen Provinz immer dieselben Einheiten rekrutieren kann sofern sie sich auf eigenem Gebiet befindet. Eine neu rekrutierte Einheit ist sofort verfügbar, allerdings besitzt sie zu Beginn nur einen kleinen Teil ihrer eigentlichen Mannstärke. Bis sie ihre maximale Stärke erreicht hat dauert es etwa 4 bis 8 Runden. Dies hängt von Modifikatoren von Generälen oder Gebäuden mit Boni auf Verstärkungsgeschwindigkeit in der lokalen Provinz ab. Damit man nicht in der Lage ist sofort 20 Eliteeinheiten zu rekrutieren existieren Limits im Einheitenpool. Das bedeutet, dass nur eine gewisse Anzahl von jeder verfügbaren Einheit zur Rekrutierung auf einmal bereitsteht. Nach dieser Rekrutierung dauert es einige Zeit bis man diese Einheiten erneut ausheben kann. Das führt dazu, dass auch im späten Spiel keine Fraktion mit einer Armee unterwegs ist die nur aus schweren Elitetruppen besteht, sondern mit einer gemischten Armee aus sowohl starken als auch schwächeren Einheiten, da insbesondere starke Einheiten nur sehr begrenzt verfügbar sind und lange brauchen bis sie erneut zur Rekrutierung bereit stehen. Dadurch haben schwächeren Einheiten im späten Spiel immer noch einen Sinn und Zweck, obwohl sie qualitativ gesehen zu dem Zeitpunkt nicht mehr mithalten können.
Armeen verbrauchen über Geld und Nahrung hinaus auch Vorräte als drittes Verbrauchsgut. Diese füllen sich auf eigenem Gebiet auf und werden auf neutralem oder feindlichem Gebiet verbraucht. Hat eine Armee ihre Vorräte verbraucht erleidet sie Verschleiß. Das kann dazu führen, dass sie zu viele Soldaten verliert und kampfunfähig wird. Verschleiß tritt ebenfalls bei Nahrungsmangel, Geldmangel oder dem Marsch durch schweres Terrain wie Schnee oder Sumpfland auf.
An dieser Stelle ist außerdem die Reduzierung der verfügbaren Armeehaltungen anzusprechen. In den neueren Einträgen der Reihe konnte man zwischen der Standardhaltung, Gewaltmarsch, Hinterhalt, Plündern und Verschanzen wählen, wobei jede einzelne Haltung ihre Vor- und Nachteile mit sich brachte. Thrones of Britannia reduziert diese Anzahl auf nur drei Haltungen, Standard, Plündern und Verschanzen. Der Gewaltmarsch und der Hinterhalt entfallen und damit auch sämtliche taktischen Optionen, die diese mit sich brachten.
Innen- und Außenpolitik, öffentliche Ordnung, Technologien und das Fehlen von Agenten
Diplomatie fällt wie seit jeher kurz. Es existiert immer noch keine Möglichkeit um einzelne Dörfer zu kaufen oder zu verkaufen, ein Feature was innerhalb der Community häufig gewünscht wird. Außerdem ist die generelle Anzahl an verfügbaren diplomatischen Interaktionen wie in anderen Total War Teilen sehr limitiert. Eine interessante Neuerung ist, dass man automatisch mit Fraktionen handelt, solange man mit ihnen nicht im Krieg ist. Dies verringert zwar den manuellen Aufwand, den man in Diplomatie stecken sollte, nimmt aber auch etwas Tiefe aus einem ohnehin schon flachem System.
Öffentliche Ordnung ist nicht mehr auf einer Skala von -100 bis +100 eingeordnet und kann nicht mehr gesammelt werden. Stattdessen erhöht jeder Punkt negative öffentliche Ordnung das Risiko einer Rebellion, was diese sehr unberechenbar, schwerer ausnutzbar und zu einer echten Bedrohung macht.
Technologien können nun auch erst erforscht werden, wenn der Spieler Aktionen durchführt, die für diese Technologie relevant sind. So erfordert die Erforschung von besseren Belagerungswaffen zum Beispiel, dass der Spieler eine gewisse Anzahl an Belagerungen gewinnt. Dies trägt viel zur Spezialisierung der eigenen Fraktion bei, da man aktiv entscheiden muss wie man sich über die Runden entwickeln will und dann auf diese Entwicklung immer noch hinarbeiten muss. Der Technologiebaum unterscheidet sich allerdings kaum merklich von Fraktion zu Fraktion.
Als weitere wesentliche Änderung ist das Entfallen von Agenten und allen Agentenfähigkeiten zu erwähnen. Das führt auf der einen Seite dazu, dass die KI nicht mehr in der Lage ist, den Spieler im späteren Spielverlauf mit einer Horde an Sabotage- und Attentatsversuchen zu belästigen, auf der anderen Seite entfällt so jegliche Art an Möglichkeiten für Spionage, Erkundung und eigene Sabotageversuche. Ob dies eine Besserung zu den Teilen der Total War Reihe darstellt muss daher jeder Spieler für sich entscheiden.
Grafik und Fazit
Graphisch und musikalisch ist Thrones of Britannia in den Augen des Autors sowohl auf der Kampagnenkarte als auch in den Gefechten sehr gelungen. Die Kampagnenkarte fühlt sich lebendig an. Üppige grüne Weideflächen wechseln sich mit Sümpfen und schneebedeckten Ebenen ab, Wolken ziehen über die Karte und bringen Regen mit sich, Händler reisen von Stadt zu Stadt oder Hafen zu Hafen und man kann den Städten beim Wachsen auf der Karte zuschauen. In Gefechten macht es wie von Teilen der Total War Reihe gewohnt Spaß, den Truppen beim Kämpfen zuzusehen. Brandpfeile fliegen durch die Luft und verursachen atmosphärische Waldbrände. Die an Rome 2 teilweise kritisierten "Balettgefechte", bei denen je 2 Soldaten in einer sehr langen Kette aus aufeinander folgenden Animationen gefangen wurden ohne dass dritte Soldaten eingreifen konnten findet man hier eher seltener. Das führt dazu, dass die Kampfanimationen größtenteils etwas schlichter ausfallen als in Rome 2, was man sowohl als Vor- als auch Nachteil werten kann. Insgesamt gelingt es Thrones of Britannia der Meinung des Autors nach den Spieler atmosphärisch sehr tief in das historische Setting einzuführen.
Nun aber zum abschließendem Fazit des Autors: Thrones of Britannia macht viel richtig. Creative Assembly experimentiert ein wenig und probiert einige interessante Änderungen aus. Die durch die Einführung von unbewachten Siedlungen generierte Dynamik erfrischt die Kampagne, ebenso die verschiedenen Fraktionsmechaniken und Ereignisketten, auch wenn die Entwickler diese durchaus tiefgreifender hätten gestalten können. Auch die neuen Mechaniken bezüglich Rekrutierung, Unterhalt und Versorgung von Armeen fühlen sich gut an und tragen zu sehr diversen Armeen im späteren Spiel bei, in denen Eliteeinheiten aufgrund ihrer zahlenmäßigen Beschränktheit unglaublich wertvoll sind. Die hohe Anzahl an sowohl taktisch interessanten als auch schön anzusehenden Schlacht- und Belagerungskarten macht insbesondere letztere zu Höhepunkten eines Feldzuges. Allerdings bringt Thrones of Britannia auch einige Nachteile: Die bereits erwähnte teilweise fehlende Tiefe findet man auch in der Diplomatie und der Innenpolitik. Diese sind zwar interessant, aber insbesondere die Diplomatie fühlt sich sehr flach an. Da die Reihe unter anderem für Experimente gedacht ist, hätte man auch Experimente in diesen Bereichen erwarten können, was allerdings nicht der Fall ist. Im Endeffekt lässt sich sagen, dass Total War Saga: Thrones of Britannia zwar ein breites Spiel ist und zwei Schritte nach vorne darstellt, aber zeitgleich ein flaches Spiel ist und einen Schritt nach hinten unternimmt. Dies spiegelt sich aber auch in seinem Preis wieder und mit 40€ liegt es weit hinter einem der Total War Haupttitel.
Weiterführende Links
Anmerkung: Alle gezeigten Screenshots wurden vom Autor während des Tests angefertigt.