Tumor durch Handy? Aufregung um italienisches Urteil

Symbolbild von JESHOOTS (pixabay.com/de/smartphone-frau-mädchen-iphone-569076)

Für Aufregung sorgten am 21. April 2017 Nachrichten, in denen behauptet wurde, dass ein italienisches Gericht einen Hirntumor als Folge häufigen Telefonierens mit dem Handy als Berufskrankheit "anerkannt" habe. Anwälte des Betroffenen behaupteten, damit sei weltweit zum ersten Mal häufige Handynutzung von einem Gericht als Ursache eines Hirntumors "anerkannt" worden.

Was war tatsächlich geschehen?

Der jetzt 57-jährige italienische Fernmeldetechniker Roberto Romeo hatte die italienische Arbeitsunfallversicherung "INAIL" im Jahre 2013 auf Zahlung einer Rente verklagt. Bei dem Mann war zuvor ein gutartiger Tumor, ein sog. "Akustikneurinom", im Bereich des rechten Ohres diagnostiziert worden. Der Tumor wurde operativ beseitigt; in diesem Zusammenhang musste auch der Hörnerv entfernt werden.

Der Betroffene ist der Meinung, dass der Tumor auf die häufige berufliche Nutzung von Diensthandys zurückzuführen ist, die er über einen Zeitraum von rd. 15 Jahren täglich drei bis vier Stunden benutzte. Die Versicherung widersprach dem.

Die Turiner Anwaltskanzlei Ambrosio & Commodo (A&C) nahm sich des Falls an. A&C war in der Vergangenheit bereits als Vertretung von "Mobilfunkopfern" in Erscheinung getreten. Sie war es auch, die den aktuellen Fall in die Presse brachte.

Das zuständige Gericht in der norditalienischen Ortschaft Ivrea beauftragte den Epidemiologen Dr. Paolo Crosignani vom nationalen Krebsinstitut in Milano mit der Erstellung eines Gutachtens.

Am 30. März 2017 urteilte das Gericht schließlich, dass die Versicherung dem Betroffenen aufgrund einer Erwerbsminderung von 23 Prozent eine Rente zu zahlen habe.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse liegen dem Gutachten und dem Urteil offensichtlich nicht zugrunde. Es stützt sich vielmehr weitgehend auf Bewertungen altbekannter, zum Teil umstrittener Studien. Ein Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung, hält das Urteil in einem Interview mit dem MDR denn auch für "wissenschaftlich eher fraglich".

Auch die Behauptung der Anwaltskanzlei A&C, mit dem Urteil sei erstmalig in der Welt die Nutzung eines Handys als Ursache für einen Gehirntumor anerkannt, ist nicht aufrechtzuerhalten, Das österreichische Mobilfunk-Portal "FMK" widersprach der Behauptung noch am selben Tag: Bereits im Jahre 2012 habe es in Italien ein ähnliches arbeitsrechtliches Verfahren gegeben. Das FMK nimmt auch Stellung zu den umstrittenen Hirntumor-Studien des schwedischen Krebsforschers Lennart Hardell, die ebenfalls zur Bewertung des Falls herangezogen wurden.

Das (italienischsprachige) Urteil des Gerichts kann im Internet unter http://t1p.de/5rqr heruntergeladen werden, das Gutachten ist unter http://t1p.de/vhzg zu finden.

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